Auf der alten Salzstraße „Böhmischer Steig“ nach Hartenstein

Sie sucht wohl weit und breit ihres Gleichen, die mit zirka 180 Linden bestandene Lindenallee in Lößnitz, die heute ihrer Bedeutung gemäß als Flächennaturdenkmal unter Schutz steht. Schon vor über 200 Jahren wurde sie angelegt, als repräsentative Zufahrtstraße in ihre Hauptstadt Lößnitz für die Schönburgischen Landesherren, denen natürlich auf ihrem „Arbeitsweg“ nach Lößnitz eine angemessene „Umrahmung“ zu stand. Aber  nicht nur der Adel war zwischen Hartenstein und Lößnitz unterwegs, die Strecke war ein Abschnitt der alten Salzstraße „Böhmischer Steig“ zwischen Halle und Prag, auf der man sich bei Wind und Wetter abmühte, um das wertvolle weiße Gold in das an Salz arme Böhmen zu karren. Auf der sehr empfehlenswerten Wanderung zwischen Lößnitz und Hartenstein kann man dessen Verlauf noch recht gut nachvollziehen. Eindrucksvolle Beispiele von bis zu acht parallel verlaufenden Hohlwegen machen deutlich, wie mühselig der Warentransport früher war. Und wer viel Phantasie hat, der sieht die Bilder regelrecht vor sich, wie sich Mensch und Vieh durch den Schlamm wühlen und im Morast versinken.

Aber auch andere Sehenswürdigkeiten gibt es zu bestaunen. So trifft man in der Nähe des Hartensteiner Bades auf gigantische alte Eichen, auch als Hochzeitseichen bezeichnet, weil sie aus Anlass von Fürstenhochzeiten gepflanzt wurden, die letzte im Jahr 1945. Ein altes Forsthaus aus dem 17. Jahrhundert vermittelt uns einen Eindruck, wie hübsch man früher zu bauen verstand. Die attraktive Kleinstadt Hartenstein, die Geburtsstadt von Paul Fleming (1609-1640), ist ebenso einen Besuch wert wie Burg Stein und die Prinzenhöhle. Und wer die Natur der menschlichen Geschichte vorzieht, ist in den herrlichen Buchenwäldern des Naturschutzgebietes „Hartensteiner Wald“ bestens aufgehoben oder an der Zwickauer Mulde, mit der Paul Fleming noch direkter in Berührung kam, als das heutzutage üblich ist:

„Ach! daß ich mich doch einmal wieder sollt erfrischen
an deiner reichen Lust, du edler Muldenfluß,
Da du sanfte gehst in bergichten Gebüschen,
Da, da mein Hartenstein mir gab den ersten Kuß.
Wie jung, wie klein ich auch ward jener Zeit genommen
Aus deiner süßen Schoß, so fällt mir’s doch noch ein,
Wie oft ich lustig hab in deiner Flut geschwommen,
Mir träumet ofte noch, als sollt ich um dich sein.“ 

Die Stadt Lößnitz

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Lößnitz als einstige Hauptstadt der Grafschaft Hartenstein ist eine der ältesten Städte des Erzgebirges und ein Gang durch die Stadt ist allemal lohnenswert. Es finden sich zahlreiche Zeugnisse einer ereignisreichen, langen Geschichte wie die Reste der historischen Stadtmauer, ein alter Wehrturm, der Marktplatz mit vielen sehenswerten Gebäuden und interessanten architektonischen Details und nicht zuletzt die Johanniskirche mit ihrer Jehmlich-Orgel und einem der ältesten noch funktionsfähigen Bronzeglockenspiele Deutschlands.
Mehr über die Geschichte der Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten erfahren Sie auf der Internetseite von Lößnitz (www.stadt-loessnitz.de).

Eine der interessantesten Persönlichkeiten, die in Lößnitz wirkten, war Magister Gotthelf Friedrich Oesfeld (1735-1801), der 1769 als Pfarrer nach Lößnitz kam und im Ort heute vor allem durch seine 1776 veröffentlichte Chronik der Stadt bekannt ist.
Oesfeld war ein vielseitig interessierter Mann. Auch Natur und Landschaft lagen ihm sehr am Herzen. Dazu schreibt der Pfarrer und Heimatforscher Friedrich Herrmann Löscher sen. (1860-1944):  „Er, der kein geborener Erzgebirger war, sondern aus Aschersleben stammte, hat tiefer und umfassender als alle anderen Schriftsteller des 18. Jahrhunderts die Schönheit des Erzgebirges  in seinen Schriften und Gedichten dargestellt. Vielleicht war er umso empfänglicher für die landschaftlichen Reize seiner zweiten Heimat, weil er sie mit dem vergleichenden Auge des Kenners anderer Länder und Gebirgsgegenden angeschaut hat. Zu beklagen ist nur, daß Oesfeld auf die Entwicklung des Naturgefühls für die Schönheiten des Erzgebirges nicht den Einfluß gehabt hat, der ihnen zukommt. Man hat ihn vielfach nicht verstanden, weil er in seinen Anschauungen seiner Zeit weit vorausgeeilt war.“
Leider sind seine diesbezüglichen Schriften („Erzgebirgischer Zuschauer“, „Betrachtung über die Herrlichkeit Gottes im Gebirge nebst einer Anweisung über die Heiligung unserer Spaziergänge“) nicht zu bekommen, dass beklagte schon Löscher und gilt auch heute noch. Reprints oder zumindest ein Zugang über Internet wären wirklich angebracht. So müssen wir uns mit wenigen Auszügen bei Löscher wie dem folgenden begnügen:

„Wir haben im Gebirge sehr schöne Gegenden: sonderlich um Scheibenberg, wegen der Pläne (Ebenheit), die den Gesichtskreis erweitert, eine der schönsten; sonderlich auf dem Berge, auf welchem man bis Augustusburg sehen kann; auch wenn man nach Bockau den Berg hinuntergehet, desgleichen bei Hohenstein hinter der Kirche; nicht weniger bei Lößnitz, allwo man von dem sogenannten Stein ein anmutiges Thal weit übersehen kann. Die Schönheit der Gegend erfordert, daß ein Berg, ein Thal, ein Fluß, ein alt Schloß, eine Stadt oder ein Dorf, Äcker, Wiesen und Wälder miteinander abwechseln. Und dies geschiehet bei uns an vielen Orten. Dies ist auch wohl eine Ursache, daß der Weg einem nicht so lange währet wie im Niederlande, ob er gleich weit beschwerlicher ist, weil das Auge bald diese bald jene Aussicht bekommt. Denn das Einförmige ist eben die Mutter von der langen Weile; die Seele sowohl als das Auge liebet die Abwechslung und Veränderung.“ 
Gotthelf Friedrich Oesfeld, aus Löscher, Friedrich Hermann, „Heimat Erzgebirge“, Altis-Verlag, 1997